Von Ferdinand Munk – Inhaber, Geschäftsführer und Normenexperte der Munk Group, Mitglied in Normenausschüssen des Deutschen Instituts für Normung e.V. (DIN) und des Europäischen Komitees für Normung (CEN).
Immer wieder kommt es gerade im beruflichen Umfeld zu Unfällen mit Leitern. Laut der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) waren es zuletzt etwa 10.000 Abstürze pro Jahr, bei denen die Betroffenen von Leitern oder Tritten gestürzt sind. Jeder dieser Unfälle ist einer zu viel und umso wichtiger ist, dass sich jeder Anwender nicht nur an die relevanten Normen hält, sondern schon lange bevor es für ihn nach oben geht, an die Arbeitssicherheit denkt.
Sachgemäße Nutzung ist entscheidend
Die meisten Unfälle mit Leitern resultieren laut der BGHM aus einer unsachgemäßen Nutzung, wobei die Liste der Ursachen lang ist: Zu geringe Standsicherheit durch falsches Aufstellen, einseitige Belastung durch zu starkes seitliches Hinauslehnen, oder auch das Verwenden von schadhaften oder qualitativ minderwertigen Leitern. Wer mit zu hohem Krafteinsatz auf der Leiter arbeitet, geht ebenfalls ein hohes Risiko ein.
Am Anfang steht immer die Gefährdungsbeurteilung
Alle diese Ursachen lassen sich für den Anwender leicht ausschließen. Knackpunkt ist hier die Gefährdungsbeurteilung, die vor jedem Einsatz einer Leiter oder eines Trittes vorgeschrieben und unerlässlich ist. Die Berufsgenossenschaften und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) machen unmissverständlich klar: Jeder Anwender hat nach Alternativen zu Leitern zu suchen und diese im Falle des Falles auch zu nutzen, zum Beispiel Tritte, Podeste, Arbeitsbühnen oder auch Rollgerüste.
Immer den Normen entsprechend
Oft sind diese Alternativen allerdings nicht praktikabel oder verhältnismäßig. Dann bleibt dem Anwender gar nichts anderes übrig, als eine Leiter für den sicheren Aufstieg zu nutzen. Entscheidend ist hier, ausschließlich eine Leiter zu verwenden, die für die anstehende Tätigkeit geeignet und natürlich auch zugelassen ist. Die gute Nachricht: Sämtliche Hersteller bieten ein umfangreiches Sortiment an qualitativ hochwertigen Leitern an, die den maßgebenden Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) 2121-2 entsprechen und damit nicht nur für den Aufstieg, sondern auch zum Arbeiten verwendet werden dürfen. Bekanntlich darf – bis auf ein paar wenige Ausnahmen – seit dem Jahr 2018 nicht mehr auf Sprossen, sondern nur noch auf Stufen oder Plattformen gearbeitet werden.
Für jeden Einsatzzweck die richtige Leiter
Die Hersteller von Steigtechniklösungen haben auf die neuen Vorgaben reagiert und ihr Seriensortiment optimiert, so dass es wirklich für jeden Einsatzzweck die passende und auch TRBS-konforme Leiter gibt. Für einige Berufe gibt es berufsspezifische Spezialleitern, die sowohl ergonomisch als auch sicherheitstechnisch optimiert sind. Hier nur drei Beispiele: Für Handwerker am Bau geht es mit der passenden Stufen-Baugrubenleiter sicher in die Grube und wieder hinaus, während Fassadenreiniger mit ihren modularen Stufen-Glasreinigerleitern besonders sicher Arbeitshöhen von bis zu sieben Metern erreichen können. Fürs Elektrohandwerk gibt es spezielle Stufenleitern mit GFK-Anteil, die bis zu 60.000 Volt geprüft sind (nach DIN EN 61478:2002).
Plattform- und Podestleitern bieten viel Platz
Als besonders sicherer Arbeitsplatz eignen sich Plattform- und Podestleitern: Hier steht der Anwender fest auf einer geräumigen Fläche und hat genügend Platz und kann dort sogar auch Werkzeug oder Materialien abstellen. Je nach Ausführung lassen sich diese Leitern auch mit Sicherungstüren erweitern, so dass der Anwender auf allen vier Seiten absturzgeschützt ist. Plattformleitern vereinen die Mobilität und einfache Handhabung von Leitern mit den sicherheitsrelevanten Eigenschaften von Gerüsten: Sie ermöglichen einen sicheren Stand, bieten die nötige Absturzsicherung und sind dank der als Zubehör erhältlichen Rollen auch mobil. Besonders praktisch: Steckbare Modelle lassen sich über ihre modularen Erweiterungen ideal auf die jeweilige Einsatzhöhe anpassen.
Ein-Personen-Gerüste kombinieren Sicherheit und Handling
Für lange andauernde Arbeiten auf Arbeitshöhen von über fünf Metern führt kein Weg an Gerüsten und Bühnen vorbei. Darum hat auch jeder Premium-Hersteller die unterschiedlichsten Arten von Rollgerüsten im Sortiment, um den Anforderungen der Profis gerecht zu werden. Wer von der vollen Sicherheit eines Gerüsts gleichzeitig von einem leichtgängigen Handling profitieren will, für den bieten sich so genannte Ein-Personen-Gerüste an. Diese lassen sich sehr flexibel anpassen und in wenigen Handgriffen mit verschiedenen Plattformebenen montieren. Wie der Name schon sagt: Für den Auf-, Um- und Abbau eines Ein-Personen-Gerüsts braucht es wirklich nur zwei Hände. Wer besonders viel Wert auf ein ergonomisches Handling legt, der kann bei der Ausstattung von Gerüsten auf so genannte Ergo-Plattformen setzen, die bis zu 40 Prozent weniger wiegen als herkömmliche Plattformen.
Steigtechnik als Verkehrsweg: Sicherer Zugang auf engem Raum
Auch als Zugangslösung für höher gelegene Arbeitsplätze dürfen Leitern genutzt werden, unter folgenden Voraussetzungen: Der Höhenunterschied darf bei längerer Nutzung maximal fünf Meter betragen, es gibt keinen festen Zugang als Alternative und die Leiter muss die Anforderungen an Verkehrswege erfüllen. Das bedeutet: Die Trittflächen der Leiter sollten über eine Rutschhemmung verfügen und an beiden Seiten sollten Handläufe montiert sein. Außerdem ist an der Austrittsstelle entweder ein Leiterüberstand von einem Meter oder eine gleichwertige Lösung dringend erforderlich. Das können zum Beispiel anklemmbare Ausstiegsholme sein, welche die Premiumhersteller als Zubehör anbieten.
Modulare Steigtechnik: Flexible Lösungen erhöhen die Sicherheit
Besonders bei wechselnden Einsatzorten oder häufig variierenden Anforderungen eignen sich für die Anwender modulare Steigtechniklösungen. Insbesondere Handwerker, Monteure oder Hausmeister profitieren hier von einer großen Bandbreite an Lösungen wie zum Beispiel steckbaren oder teleskopierbaren Leitern, modularen Plattformsystemen, kombinierbaren Stufen- und Podestlösungen, oder auch den flexiblen Rollgerüsten. Sie können vorhandene Komponenten bedarfsgerecht zusammenzustellen und so flexibel reagieren. Modulare Systeme sparen Platz im Transport, lassen sich schnell aufbauen und bieten dabei ein hohes Maß an Sicherheit. Auch hier gilt natürlich: Je genauer das Produkt auf den Einsatz abgestimmt ist, desto sicherer wird die Arbeit in der Höhe.
Auf die Standfestigkeit kommt es an
Egal, ob als Arbeitsplatz oder Verkehrsweg: Bei der Gefährdungsbeurteilung vor dem Einsatz spielt immer die Standfestigkeit der Leiter eine zentrale Rolle. Je nach Art der Leiter bieten sich hier unterschiedliche Hilfsmittel an: Für Stehleitern gelten Leiterschuhe mit 2-Achsen-Neigungstechnik seit langem als Benchmark, denn durch diese Flexibilität des Leiterschuhs wird die vollflächige Bodenauflage perfektioniert. Das sorgt für maximale Standsicherheit. Praktisch: Über das Wechselsystem lassen sich die Leiterschuhe sehr leicht an unterschiedliche Untergründe anpassen, wie zum Beispiel glatte Böden, Gitterroste oder gewachsenen Untergrund. Bei Anlegeleitern mit einer Länge von mehr als drei Metern muss laut DIN EN 131 die untere Aufstellfläche breiter ausgeführt sein als die Leiter selbst. Das wird in der Regel mithilfe von Traversen gelöst, die es bei den meisten Herstellern auch als Nachrüstsatz für bereits bestehende Leitern gibt.
Mehr Sicherheit im Paket
Meist braucht es gar nicht viel, um die Arbeit auf einer Leiter noch sicherer und komfortabler zu machen. Dafür bieten namhafte Hersteller eine ganze Reihe an Sicherheitspaketen in ihrem Zubehör an. Dort finden sich zum Beispiel Einhängetritte und -podeste oder auch spezielle Stufenmodule für Sprossenleitern, damit auch auf Sprossenleitern TRBS-konform gearbeitet werden kann. Ablageschalen, Werkzeugablagen, steckbare Handläufe und Ausstiegsholme erhöhen die Sicherheit ebenso wie Haltebügel, Dachrinnenhalter oder Hakenbefestigungen.
Spreizsicherungen bei Steh- und Mehrzweckleitern
Steh- und Mehrzweckleitern stehen dank ihrer konischen Bauweise und integrierten Spreizsicherungen von Haus aus sicher auf dem Boden. Als Spreizsicherungen werden in der Regel Ketten, Gurte, Plattformheber oder einrastbare Gelenke verwendet. Sie verhindern, dass die Leiterschenkel auseinander gleiten.
Die Leitern auch am Kopf sichern
Auch am oberen Leiterende können Anwender für sicheren Stand sorgen, denn mit zusätzlich erhältlichen Leiterkopfsicherungen können sie Anlege- und Schiebeleitern, sowie Seilzug- und Mehrzweckleitern zusätzlich gegen Stürze absichern. Die Sicherungen lassen sich mit wenigen Handgriffen und werkzeuglos an den oberen Enden der Leiterholme montieren und passen sich durch integrierte Gelenke automatisch an den Anlegewinkel an.
Rutschhemmung nach R13-Standard: Ab Werk und zum Nachrüsten
Speziell für die Arbeit in nassen, ölverschmierten und staubigen Bereichen bieten die Hersteller hochwertiger Steigtechnik rutschhemmende Trittauflagen bis hin zur höchsten Bewertungsgruppe R13 an. Viele Stufenleitern sind bereits ab Werk mit der rutschhemmenden R13-Beschichtung ausgestattet oder sie lassen sich über passende Nachrüstsätze auf den R13-Standard upgraden.
Normen und Informationsquellen: Orientierung für sicheres Arbeiten
Um ihre Steigtechnik stets sicher und normenkonform nutzen zu können, müssen die Anwender im beruflichen Umfeld stets die technischen und rechtlichen Grundlagen im Blick haben: Für Leitern und Steighilfen sind dies die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und speziell die TRBS 2121 Teil 2, die DIN EN 131 (Teile 1 bis 7); bei ortsfesten Zugängen die DIN EN ISO 14122-4, DIN 18799-1 bis -3 sowie DIN 14094-1. Arbeitgeber und Sicherheitsverantwortliche finden praxisnahe Hilfen unter anderem bei der DGUV (z. B. Informationsschriften 208-016 und 208-032), bei ihrer zuständigen Berufsgenossenschaft oder in den Arbeitsschutzprogrammen der BG BAU.
Welche Leiter soll es denn sein? Der Fachhandel hilft weiter.
Welche Leiter eignet sich für welchen Zweck? Diese Frage lässt sich am besten im Rahmen der persönlichen Beratung im Fachhandel klären. Die Experten kennen die einschlägigen Normen, beraten bei der Produktauswahl, zeigen Einsatzgrenzen auf und schlagen die passenden Kombinationsmöglichkeiten vor. Gerne informieren namhafte Steigtechnikhersteller Interessenten auch direkt über ihr normenkonformes Sortiment. Pluspunkt: Sollte es im Seriensortiment keine passende Lösung geben, können die Hersteller in der Regel mit individuell projektierten Sonderkonstruktionen helfen.
Schulungsangebot der Hersteller nutzen
Die Hersteller sind auch die erste Adresse, wenn es darum geht, Personal im Umgang mit Leitern zu schulen. Im beruflichen Umfeld muss jede Leiter nicht nur vor jeder Nutzung einmal durch die Sichtkontrolle des Anwenders, sie muss vielmehr wiederkehrend im Detail geprüft werden. Empfohlen wird das im Regelfall mindestens einmal im Jahr – und zwar durch eine zur Prüfung befähigte Person mit entsprechender Kompetenz. Das Zertifikat „Zur Prüfung befähigte Person für Leitern und Tritte“ kann bei eintägigen Fortbildungen oder auch über ein flexibles, praxisnahes und interaktives Online-Seminar „Leitern und Tritte“ als E-Learning erworben werden. Diese Seminare werden von einer ganzen Reihe an Herstellern angeboten. Interessant: Bereits in der Bedienungsanleitung einer Leiter müssen die Hersteller alle Bauteile aufführen, die regelmäßig geprüft werden müssen. Als zusätzlichen Service stellen sie dazu Kontrollblätter für die Leiterprüfungen zur Verfügung – auch zum Download.